Die DYSTOPIA Klangkunst Biennale 2024 legte dieses Jahr ihren Fokus auf den indischen Subkontinent. Unter der Leitung von Nida Ghouse und Georg Klein wurden 22 Projekte vom 7. bis 29. September im HAUNT/frontviews und in der Galiläakirche ausgestellt. Die Biennale wird von Errant Sound organisiert und umfasst Installationen, Performances, Konzerte und Performance-Picknicks im Tiergarten. Parallel dazu fand im Interimsraum von Errant Sound im Wedding ein Symposium am 12. und 13. September statt und im KUNSTRAUM Potsdamer Straße waren vom 20. bis 29. September erstmals auch UdK-Klangkunststudierende in der Biennale vertreten.

 

Aman Aheer the low voice (2024) Image credits: Alice Stella

 

Öfters hab’ ich die Sprache, öfters hab’ ich Gesang versucht, aber sie hörten dich nicht

Lautsprecherpaare sind an beiden Seiten zweier Malereien angebracht, erzeugen jedoch keinen Sound. Die monochromen Leinwände sind mit Kuhdung überzogen. Mit dem Titel the low voice beziehen sich diese skulpturalen Objekte von Aman Aheer auf die schleichende Verdrängung des muslimischen Gebetsrufes aus der indischen Landschaft und stellen diese in einen Zusammenhang mit der anhaltenden Gewalt, der die Dalit-Community ausgesetzt ist. Als stille Kompositionen in einer Ausstellung für Klangkunst laden sie die Zuhörer*innen dazu ein, sich mit der materiellen Dimension der Unhörbarkeit und dem Medium Sound an seinen Grenzwerten zu befassen.

In Anlehnung an eine Zeile des Dichters und Philosophen Friedrich Hölderlin trägt die Ausstellung den Titel Öfters hab’ ich die Sprache, öfters hab’ ich Gesang versucht, aber sie hörten dich nicht und nimmt gewisse Inkommensurabilitäten zum Ausgangspunkt, die der der Klangkunst zugrundeliegen. Diese DYSTOPIA Biennale bietet einen Rahmen, innerhalb dessen eine Szene der Klangkunst, mit ihren spezifischen Referenzen, sich mit einer anderen vernetzt. Auch wenn der deutsche Begriff der Klangkunst kein Äquivalent im südasiatischen Kontext hat, so zeichnet sich Klang doch durch eine kosmische Bedeutung aus, und die kulturell kodierte Arbeit des Hörens steht in einer langen und diversen Tradition.

An den zwei Hauptveranstaltungsorten umfassen die Arbeiten in der Ausstellung eine Reihe von klangbasierten Praktiken wie etwa Installationen, Performances und ortsspezifische Projekte. Ohren, die in Folk, Oper, zeitgenössischer Improvisation, karnatischer und klassischer hindustanischer Musik geschult sind, finden im sprichwörtlichen Museum zeitliche Strukturen und visuelle Aus- drucksformen für Musik vor. Exkursionen in die deep time und den erweiterten Himmel verleihen dem Klang Formen, die weder Bilder noch Diskurse bieten können. Geheimnisse werden in Sprachen bewahrt, die einst für tot befunden wurden, und unerzählte Märchen werden in einer Mischung aus Lärm und Zärtlichkeit gesungen.

Interview auf DeutschlandFunk Kultur: Kompressor, 9.9. 2024, Teil 2